Hölderlin: Hyperion

Hyperion und Bellarmin
 

Hyperions Schicksalslied

 
Ihr wandelt droben im Licht
  Auf weichem Boden, selige Genien!
    Glänzende Götterlüfte
      Rühren euch leicht,
        Wie die Finger der Künstlerin
          Heilige Saiten.
 
Schicksallos, wie der schlafende
  Säugling, atmen die Himmlischen;
    Keusch bewahrt
      In bescheidener Knospe,
        Blühet ewig
          Ihnen der Geist,
            Und die seligen Augen
              Blicken in stiller
                Ewiger Klarheit.
 
Doch uns ist gegeben,
  Auf keiner Stätte zu ruhn,
    Es schwinden, es fallen
      Die leidenden Menschen
        Blindlings von einer
          Stunde zur andern,
            Wie Wasser von Klippe
              Zu Klippe geworfen,
                Jahr lang ins Ungewisse hinab.
 
Doch uns ist gegeben,
  Auf keiner Stätte zu ruhn,
    Es schwinden, es fallen
      Die leidenden Menschen
        Blindlings von einer
          Stunde zur andern,
            Wie Wasser von Klippe
              Zu Klippe geworfen,
                Jahr lang ins Ungewisse hinab.
 

Diotimas Song

 
Wenn aus der Ferne, da wir geschieden sind,
   Ich dir noch kennbar bin, die Vergangenheit
      O du Theilhaber meiner Leiden!
         Einiges Gute bezeichnen dir kann,
So sage, wie erwartet die Freundin dich?
   In jenen Gärten, da nach entsezlicher
      Und dunkler Zeit wir uns gefunden?
         Hier an den Strömen der heilgen Urwelt.
 
Das muß ich sagen, einiges Gutes war
   In deinen Bliken, als in den Fernen du
      Dich einmal fröhlich umgesehen
         Immer verschlossener Mensch, mit finstrem
Aussehn. Wie flossen Stunden dahin, wie still
   War meine Seele über der Wahrheit daß
      Ich so getrennt gewesen wäre?
         Ja! ich gestand es, ich war die deine.
Wahrhafftig! wie du alles Bekannte mir
   In mein Gedächtniß bringen und schreiben willst,
      Mit Briefen, so ergeht es mir auch
         Daß ich Vergangenes alles sage.
Wars Frühling? war es Sommer? die Nachtigall
   Mit süßem Liede lebte mit Vögeln, die
      Nicht ferne waren im Gebüsche
         Und mit Gerüchen umgaben Bäum’ uns.
 
In meinen Armen lebte der Jüngling auf,
   Der, noch verlassen, aus den Gefilden kam,
      Die er mir wies, mit einer Schwermuth,
         Aber die Nahmen der seltnen Orte
Und alles Schöne hatt’ er behalten, das
   An seeligen Gestaden, auch mir sehr werth
      Im heimatlichen Lande blühet
         Oder verborgen, aus hoher Aussicht,
Allwo das Meer auch einer beschauen kann,
   Doch keiner seyn will. Nehme vorlieb, und denk
      An die, die noch vergnügt ist, darum,
         Weil der entzükende Tag uns anschien,
Der mit Geständniß oder der Hände Druk
   Anhub, der uns vereinet. Ach! wehe mir!
      Es waren schöne Tage. Aber
         Traurige Dämmerung folgte nachher.
Du seiest so allein in der schönen Welt
   Behauptest du mir immer, Geliebter! das
      Weist aber du nicht,
 
Mit
Michael Weber und Peter Grund (Musik)
Regie
Christian Ebert
Bühne und Kostüme
Sabine Böing

Hyperion ist ein Grieche des 18. Jahrhunderts. »Hyperion« ist ein Roman in Briefen von Friedrich Hölderlin. Hyperion geht es wie uns allen – früher oder später: Er hat alles verloren. Seine große Liebe, seinen besten Freund, seine Heimat, seine Jugend, seine Ideale, den Sinn, die Freiheit, den Aufstand, die Utopie, die Zukunft … alles Vergangenheit.

Aber Hyperion ist nicht wie wir alle: Er gibt keine Ruhe (ein Untoter), er findet sich nicht ab, er macht aber auch nicht einfach weiter.

Er sucht das Gelingen im völligen Scheitern, im Gegensatz zum Scheitern im ständigen Gelingen. Gerade in tiefster Nacht und Einsamkeit sucht er das Licht.


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Allen Verlust, alles Scheitern, alle Verlorenheit, alle Freude und allen Schmerz macht Hyperion in Zusammenarbeit mit seinem deutschen Freund, Vertrauten und Komplizen Bellarmin – beide Fremde im eigenen Land – zum Gedicht, zum Prozeß, zu Geschichte, zum Song …

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